Kapitel 1.6.

1. Rund um den IQ-Test – ein Erfahrungsbericht

1.6. Verpassten Chancen hinterhertrauern

Ihre Wut versiegte, aber es blieb eine große Traurigkeit zurück. Eine Traurigkeit über die Einsamkeit ihres Lebens. Wenn sie sich als kleines Kind sah, war ihr nach Weinen zumute. Wie hatte man ihr – dem kleinen Kind – das antun können? Wieso hatte man nicht alles getan, um diesem Kind zu helfen? Aber aus dieser Traurigkeit heraus schwor sie sich, dass sie aus ihrem weiteren Leben etwas Besseres machen wollte. Jetzt war sie alt genug, um auf sich aufzupassen. Sie sah, wie sie als Kind falsch behandelt worden war. Jedes einzelne Lebensjahr ging sie durch. Sie spürte, was sie damals gespürt hatte, sah, was sie damals gesehen hatte, hörte, was sie damals gehört hatte. Sie durchlebte diese Situationen wieder, jedoch mit dem Unterschied, dass sie heute anders mit ihnen umgehen konnte. Sie war nicht mehr hilflos, sie konnte die Situationen erklären. Sie wusste nun, warum sie wie gehandelt hatte. Sie verstand die Wutausbrüche in ihrer Kindheit und die verzweifelten Hilferufe an ihr Umfeld. Indem sie diese Situationen nochmals durchlebte, konnte sie sie anschließend ad acta legen. Dadurch war noch lange nicht alles gut, aber sie fing an, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. Somit wuchs die Energie für neue, noch bevorstehende Aufgaben.