Kapitel 5.1.

5. Mit der Hochbegabung leben

5.1. Hochbegabt und unzufrieden? Wege und Möglichkeiten zur Veränderung

Für Sie beginnt – vielleicht – ein neuer Lebensabschnitt, in dem Sie sich an Neues heranwagen. Einige Wege und Möglichkeiten zur Veränderung wie Selbstcoaching, Erfolgsteams usw. sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.

Selbstcoaching

Sie stehen vor einer Aufgabe und wissen nicht, was Sie damit anfangen sollen. Würde allerdings jemand anderes Sie bei dieser Aufgabe um Hilfe bitten, könnten Sie ihm die Antwort geben. Dieses Phänomen ist schnell erklärt. Geht es um andere Menschen, ist der notwendige Abstand vorhanden, um auf die Situation und die Probleme zu schauen. Ihr Ziel sollte es sein, diese objektive Haltung und den räumlichen Abstand sich selbst gegenüber einzunehmen. Treten Sie aus Ihrer Situation heraus, indem Sie sich vorstellen, Ihr Problem sei das eines anderen.

Seien Sie also Ihr eigener Coach! Schreiben Sie Fragen, Probleme oder Situationen, bei denen Sie nicht weiterkommen, nieder. Legen Sie dafür eine Datei oder ein Notizbuch an, vergessen Sie nicht das Datum. Manchmal hilft es, die Fragen einige Tage liegen zu lassen. Wechseln Sie dann Ihre Rolle. Jetzt sind Sie der Coach, und jemand hat Ihnen Fragen gestellt, auf die er Antworten haben möchte. Anfangs mag es seltsam anmuten, Coach für sich selbst zu sein, aber nachdem Sie das ein paar Mal gemacht haben, werden Sie merken, dass Sie sehr wohl in der Lage sind, sich Ihre eigenen Fragen zu beantworten. Eine Restskepsis wird wahrscheinlich bleiben, was jedoch vorteilhaft ist. Denn diese Skepsis hilft uns, kritisch zu sein.

Eine Technik des Selbstcoachings ist das Betrachten der Probleme aus der Metaebene. Hochbegabten wird gemeinhin ein rationales Denken bescheinigt, welches in diesem Zusammenhang zum Einsatz kommt. Nehmen Sie sich aus der Situation heraus, lehnen Sie sich zurück und begutachten Sie die Situation aus einer Metaebene. Je öfter dieser Blickwinkel probiert wird, umso besser wird es gelingen. Der Weg erscheint vor den Augen und die Lösung kristallisiert sich heraus. Nun gilt es, diese umzusetzen. Dabei kann es helfen, wenn Sie sich nicht die einzelnen Schritte ansehen, sondern den Blick auf das Ziel richten.

Zum Selbstcoaching gehört, dass man es realisiert, wenn fremde Hilfe in Anspruch genommen werden muss. In manchen Fällen kann es ratsam sein, sich ärztliche, therapeutische oder freundschaftliche Unterstützung zu holen.

Mittels Selbstcoaching kann man sein Profil schärfen und seinen Platz finden. Da die Identifikation durch die Gesellschaft und ihre Einflüsse erschwert oder verhindert wurde, fangen manche bei null an und müssen lernen, sich selbst zu vertrauen und nicht sofort auf andere zu schauen, um dort Antworten zu erhalten. Achten Sie nicht auf die Meinung, die die Gesellschaft vertritt, sondern bilden Sie sich Ihre eigene. Bei Problemen oder bei Entscheidungen haben viele Hochbegabte gelernt, sich am “Normalen” zu orientieren, und dabei verlernt, auf sich zu hören. Ihre Gedanken waren zu komplex, zu schnell, zu früh, zu tiefgehend, die Ansichten eines hochbegabten Menschen waren nicht gefragt. Diese Erfahrung war nicht nur schmerzhaft, sie war so prägend, dass viele Hochbegabte nicht wissen, wer sie sind und was sie wollen. Wenn Sie anstreben, das zu ändern, müssen Sie bei jedem Gedanken hinterfragen, ob es der eigene oder ein antrainierter ist. Anfangs ist es schwer, sich zu vertrauen, denn wer sagt einem, welcher Gedanke von einem selbst stammt? Das Gehirn suggeriert fremde Gedanken als die eigenen, deswegen wird es eine Weile dauern, bis Sie Ihre persönlichen Gedanken identifizieren können.

Bei der Suche nach den vergrabenen Gedanken, Wünschen und Gefühlen hilft es, sich eine Zeit lang zurückzuziehen und etwas kürzer zu treten. Je nach Mensch und Typ werden diese Auszeiten variieren. Wichtig ist, dass man sich und seinem Körper die Möglichkeit bietet, sich zu hinterfragen. Alte Muster und Strategien wurden im Laufe der Zeit einstudiert und automatisiert, sodass Reaktionen und Verhaltensweisen nicht mehr bewusst gesteuert sind, sondern sich unbewusst ihren Weg bahnen. Ohne eine Auszeit kann es sein, dass diese Muster nicht erkannt werden. Notwendig ist, auch hier auf den Körper zu hören. Manche benötigen keine Auszeit, da sie sich ihre Muster im Alltag bewusst machen können. Wenn Ihnen ein Muster oder ein Verhalten auffällt, sollten Sie dieses hinterfragen. Diese Muster haben Ihnen in der Vergangenheit geholfen, mit dem Druck der Gesellschaft umzugehen. Fragen Sie sich, welche Verhaltensweisen Sie an den Tag legen, um Anerkennung von außen zu erhalten. Manche Handlungsweise wurde perfektioniert, um zu überleben. Es kann befreiend sein, diese Muster zu erkennen und zu benennen. Es liegt dann in Ihrer Hand, diese Muster – falls sie immer noch einen Wert haben und notwendig sind – beizubehalten. Aber hinterfragen Sie alles und überlegen Sie, was für Sie wirklich von Bedeutung ist.

Das Bewusstmachen und Ändern antrainierter Verhaltensweisen ist ein langwieriger Prozess. Geduld ist aber gerade bei spät erkannten Hochbegabten eine unbeliebte Tugend, da sie schon einen Großteil ihres Lebens in einem falschen Bewusstsein verbrachten und nun den Drang verspüren, endlich mit ihrem eigenen Leben anzufangen. Trotzdem benötigt dieser Prozess Zeit und Geduld. Es wird vorkommen, dass ein Muster nicht erklärt werden kann oder eine Handlung nicht verstanden wird. Das Gehirn, die Nervensysteme und die Nervenzellen haben sich in der Kindheit, der Jugend und auch im Erwachsenenalter geschützt. Diese Schutzschichten benötigen unterschiedlich viel Zeit, bis sie abgebaut werden. Manchmal kann das ein paar Jahre dauern. Doch mit jedem Tag, jeder Woche und jedem Monat nehmen Sie das Leben bewusster wahr, es wird lebenswerter, sodass der Prozess zwar langwierig und schmerzlich ist, Sie aber bereits unterwegs mit seinen Erfolgen versöhnt.

Aussteigen auf Zeit

Es existieren verschiedene Möglichkeiten, sich eine terminierte Auszeit zu gönnen bzw. zu leisten. Viel hängt davon ab, ob man im Angestelltenverhältnis, selbstständig oder ohne Arbeit ist. Als Angestellter oder Beamter gibt es verschiedene Arbeitszeitmodelle, die es erlauben, sich bei geringerem Gehalt eine Auszeit von drei bis zwölf Monaten zu nehmen. Meist wird eine Vereinbarung getroffen, nach der der Arbeitnehmer für eine gewisse Zeit auf sein Gehalt verzichtet, um dann dieses geringere Gehalt auch im Sabbatical zu erhalten. Je nach Vertrag variiert der Verdienst zwischen zwei Drittel bis sechs Siebtel. Natürlich kann auch unbezahlter Urlaub in Erwägung gezogen werden, wenn dies finanziell möglich ist. Als Selbstständiger müsste man vorsorgen oder jemanden einstellen, der die Arbeit in der Auszeit übernimmt, sodass der Betrieb oder die Firma weiterläuft. Wenn man krank oder arbeitslos ist, gibt es ebenfalls Möglichkeiten, sich eine Auszeit zu nehmen. Es gilt, diese Phase gut vorzubereiten und mit den entsprechenden Ansprechpartnern abzustimmen. Sollte eine Auszeit bei Gehaltseingang gesichert sein, geht es an die Umsetzung.

Für viele hat sich eine Auszeit im Kloster oder eine Wanderung über mehrere Wochen bewährt. Ein Beispiel für Letzteres ist der Komiker, Schauspieler und Autor Hape Kerkeling, dessen Buch über seine Pilgerreise, “Ich bin dann mal weg”, ein Bestseller wurde. Ebenso können Sie sich Kindheitsträume oder ureigene Wünsche erfüllen. Warum nicht mit 50 ein Musikinstrument erlernen, das Zeichnen oder Malen beginnen, neue Hobbys ausprobieren oder ein Ehrenamt bekleiden? Sie könnten studieren, eine Stiftung gründen, ein Buch schreiben oder eine neue Ausbildung absolvieren. Es gibt viele Dinge, die nicht auf Leistung, Erfolg sowie Anerkennung fußen und die Sie probieren können, weil Sie Lust darauf haben.

Der Abbau von bestehenden Grenzen und Ängsten sowie der Umgang damit geben Kraft und Energie. Diese brauchen Sie auch, denn während der Auszeit können Schwierigkeiten auftreten, mit denen Sie zurechtkommen müssen. Zum Beispiel ist der Umgang mit Ruhe und Stille für viele eine Herausforderung. Es können Ängste auftauchen, die ernst genommen werden sollten. Viele Menschen arbeiten oder betreiben Sport, damit sie u. a. der Ruhe entgehen. Kaum jemand nimmt sich Zeit für sich – Zeit ohne Radio, Fernsehen, Handy, Telefon, Computer, Sport oder Arbeit. Niemals zum Stillstand zu kommen, wird als Leistung und Erfolg gesehen. Nicht umsonst prahlen viele damit, was sie alles um die Ohren haben. Eine Auszeit bedeutet auch, zur Ruhe und zu sich zu kommen. Für manche ist es, als hätten sie “das Leben neu entdeckt[i]. Auch Hape Kerkeling beschreibt seine Auszeit, seine Wanderung als ein “Zur-Ruhe-Kommen” und “Zu-sich-Finden”.[ii]

Eine bewusste Auszeit heißt: raus aus dem Stress, den Mustern, den Verhaltensregeln, dem Erfolgsdruck, dem Alltag – und rein in eine neue Erlebniswelt. Sich ausprobieren, Wünsche und Bedürfnisse austesten, sich selbst entdecken und verschüttete, vergrabene oder verdrängte Wünsche wiederentdecken.

Erfolgsteams

Ein Erfolgsteam kann bei der Umsetzung von Zielen helfen – es bedeutet eine gewisse Verpflichtung, und Sie können sich nicht so leicht drücken. Anderen sagt man ungern jede Woche, dass man nichts geschafft hat, weil man zu faul war. Spätestens in der vierten Woche wird aufgeholt, um etwas vorweisen zu können. Allerdings sollten Sie überlegen, in welcher Phase Sie sich gerade befinden. Sind Ihre eigenen Ziele nicht klar umrissen, kann ein Erfolgsteam mit seinem sanften Druck eher hinderlich sein. Das Gleiche gilt, wenn der Weg zu sich noch nicht abgeschlossen ist und dafür weiter Zeit benötigt wird. Wartet dann ein Team auf Ergebnisse, kann das durchaus kontraproduktiv sein. Die Gefahr besteht, sich auf die anderen zu konzentrieren und Ergebnisse abzuliefern, um in dem Moment einen Erfolg vorweisen zu können. Der Zeitpunkt für ein Erfolgsteam ist also entscheidend. Überlegen Sie sich genau, wann Sie für die Arbeit in solchen Teams “reif” sind.

Gemeinsam aufgestellte Regeln helfen, den Weg beizubehalten. Die Zusammensetzung des Erfolgsteams und das Engagement der einzelnen Mitglieder bestimmen, welche Energie freigesetzt wird. Ihr Team unterstützt Sie dabei, Ihre Motivation zu behalten und Ihre Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Sich Ziele zu definieren, ist das eine, das andere ist, sie konsequent zu verfolgen. Hat Ihnen die Auszeit geholfen, werden Sie den nächsten Schritt zurück in das “alte” Leben gehen, in den Alltag, in die Muster und in die Erwartungshaltungen der Umwelt. Vergessen Sie Ihre Ziele nicht und lassen Sie sich nicht vom Weg abbringen. Geben Sie bei negativen Bemerkungen oder fehlender Unterstützung nicht auf, sondern finden Sie Wege und Lösungen. Hierbei kann Ihnen Ihr Erfolgsteam helfen.

Der Begriff “Erfolgsteam” ist einem Ratgeber von Barbara Sher – “Wishcraft”[iii] – entnommen. Wer Motivation sucht und mehr Informationen zum Thema Erfolgsteams wünscht, dem sei dieses Buch empfohlen.

Mentoren

Das beste bekannte Lernsetting zur Förderung von Leistungsexzellenz ist individueller Unterricht durch einen Mentor.[iv]

In Deutschland wird die Arbeit mit Mentoren eher negativ gesehen und nur bei schlechten Schulleistungen eingesetzt. In anderen Ländern (u. a. USA, England, Spanien) wendet man diese Unterrichtsart mit Erfolg verstärkt in der Hochbegabtenförderung an, und zwar flächendeckend und individuell abgestimmt. In Deutschland herrscht immer noch der Glaube vor, dass Hochbegabung nur aufgedeckt werden müsse; anderswo hingegen wird professionell gefördert, weil bekannt ist, dass Hochbegabung erarbeitet werden muss.[v]

Vom Haben zum Sein

In ihrem Artikel “Vom Haben zum Sein” schildern die Autoren Linder-Hoffmann, Klein und Zink einen Lebenslauf: Ein Mann macht Karriere und blickt auf erfolgreiche Jahre zurück, in denen er es “geschafft” hat. Allerdings kommt dieser Mann ins Grübeln, als er von einem alten Klassenkameraden gefragt wird, ob er denn erfüllt sei.[vi]

Wann kann man bei Hochbegabten von einer erfolgreichen Karriere sprechen? Es geht nicht primär um die Karriere, ob als Angestellter oder als Direktor eines großen Unternehmens, sondern darum, ob für etwas gearbeitet wurde, was tatsächlich das Eigene war. Dieser oben erwähnte Mann kam ins Nachdenken und krempelte sein Leben um. Späterkannten geht es oft ebenso, wenn sie erfahren, dass sie hochbegabt sind. Die alten Erfolge wirken im ersten Moment wie Misserfolge, Freude wie Trauer und Freunde wie Feinde. Das ganze Leben wird infrage gestellt und dahingehend überprüft, ob es den neuen Anforderungen eines hochbegabten Menschen überhaupt noch standhält. Oft stellt sich dann auch die Frage, was eigentlich Erfolg bedeutet.

Linder-Hoffmann, Klein und Zink erläutern, dass der Begriff Erfolg ursprünglich neutral war und für die Folge eines Handelns stand. Erst mit der Industrialisierung wurde der Ausdruck wertend im Sinne von Leistung. Es ging um Fortschritte, um Ziele und eine Fortentwicklung. Erfolg wurde nun im Zusammenhang mit dem ökonomischen Wachsen verwendet. Im 20. Jahrhundert zeigten Erfolgspropheten, Unternehmerstars und Erfolgstrainer, dass Erfolg planbar ist. Erfolg wurde zunehmend mit Besitz, Reichtum und Statussymbolen verbunden und verlor endgültig die neutrale Bedeutung. Zudem wird mit Erfolg auch die Zugehörigkeit zu einer erstrebenswerten Schicht assoziiert, was zugleich für gesellschaftliche Anerkennung steht.[vii]

Noch nie in der Geschichte ging es so vielen Menschen materiell so gut – gemessen am verfügbaren Einkommen, am materiellen Besitz wie Immobilien, Wertpapieren und an anderen Wohlstandsindikatoren. Doch in repräsentativen Studien, die Menschen in mehr als 150 Ländern nach ihrer “Zufriedenheit” befragten, rangieren die wohlhabendsten und reichsten, wie die USA und Deutschland im hinteren Teil, weit abgeschlagen hinter Ländern der sogenannten Dritten Welt.[viii]

Erfolg ist für Hochbegabte relativ und oft nicht greifbar. Ein Mensch, der sich immer an der Umwelt orientierte und den Erfolg nicht “für sich” erhielt, fragt sich, was Erfolg bedeutet – eine Sache zu erledigen, weil sie verlangt wurde, weil sonst Strafe, Prügel, Sanktionen, die Außenseiterrolle oder die Isolation drohten? Viele Hochbegabte sind frustriert über ihre Situation. Sei es bei der Arbeit, ihren Leistungen, dem Einkommen. Oft schwingt eine Unzufriedenheit mit, die nicht gestillt werden kann und eigentlich objektiv unbegründet erscheint. Denn diese Unzufriedenheit ist auch vorhanden, wenn der Mensch zum Beispiel Statussymbole gesammelt und somit ein gutes Gehalt, eine ausgezeichnete Stellung, ein hohes Ansehen erreicht hat. Er kann ein Meister im Zeitmanagement sein oder eine hohe soziale Kompetenz besitzen, dennoch ist er nicht zufrieden. Die Unzufriedenheit begleitet ihn durch den Tag, unabhängig von Erfolgen und Leistungen. Denn das eigene Leben an die Gesellschaft und die Außenwelt anzupassen, ist keine wirkliche Leistung und bringt keine Zufriedenheit. Es ist nicht das eigene Leben, das gelebt wird. Insofern ist es verständlich, wenn sich viele Hochbegabte als Underachiever fühlen, was sie laut Definition nicht sind. Was ihnen fehlt, ist die Erfüllung.

Die Autoren Linder-Hoffmann, Klein und Zink beschreiben:

Unter dem Begriff der Erfüllung verstehen wir den Eintritt von Befriedigung auf ein begehrtes Ziel hin, eine Zufriedenheit aus einer Fülle. Es ist der Zustand eines inneren Friedens und des Eins-Sein, des Vollkommen-Seins als einem Zustand, der sich nicht noch weiter verbessern lässt.[ix]

Den Zustand der Erfüllung kann ein Mensch nicht erreichen, wenn er nicht weiß, wer er ist; wenn er seine Stärken nicht erkennt und wenn er sich verstellen muss, um dazuzugehören. Erfüllung sieht bei jedem anders aus. Zunächst kann jeder, der es möchte, einen Zustand erlangen, in dem er sich wohlfühlt. Wichtig ist ein Resultat, mit dem Sie zufrieden sind. Fragen Sie sich aber auch, aus welchem Grund Sie dieses Resultat anstreben. Oftmals spielt hier die Angst vor dem Versagen eine Rolle und die Befürchtung, bei Misserfolg ausgeschlossen zu werden.

Um in diesen Zustand zu kommen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

– Reflexionsfähigkeit und die Fähigkeit, etwa einen Holzweg zu erkennen, sowie die Zusammenhänge zu sehen, unsere Konstruktionen zu entlarven, die uns immer unglücklicher statt erfüllter machen, und die Erwartungen anderer von unseren ureigensten Bedürfnissen zu trennen;
– die Beziehung und Bindung zu sich selbst zu finden, sich selbst als Teil eines Ganzen zu begreifen, der Vollkommenheit auch nur in diesem Ganzen erreichen kann;
– den Mut zu haben, persönlich Klarheit zu schaffen und eine Position zu finden, auch einmal das “Hamsterrad” zu verlassen und mit überkommenen Erfolgsmustern zu brechen.[x]

Diesen Weg kann nur gehen, wer sich Antworten auf Fragen gibt, wie “Wer bin ich?” und “Was will ich für mich selbst?”. Das erfordert Mut und Durchsetzungsvermögen. Es ist schwer, eingetretene Pfade zu verlassen und eigene zu suchen. Ein ausgetretener Weg hat auch gute Seiten, und es war nicht alles schlecht – doch es war nicht Ihrer. Auf dem neuen Pfad werden Sie stolpern und vielleicht auch fallen, aber am Ende stehen Sie am Ziel ihrer Wünsche – Selbstbewusstsein und die Akzeptanz sich selbst gegenüber.

Mut zur Umsetzung

Einen Schritt ins Unbekannte zu wagen, eine Auszeit oder eine neue Richtung einzuschlagen, erfordert viel Mut. Mut für Veränderungen. Mut, sich selbst zu vertrauen und sich so viel Raum zu geben, dass dieser Schritt überhaupt erst möglich wird. Viele haben Angst, z. B. vor den finanziellen Sorgen, die kommen könnten. Diese Ängste unterbinden jegliche Veränderung. Um überhaupt Veränderungen angehen zu können, müssen sie eine Zeit lang ausgeblendet werden. Je stärker und intensiver Ihre Pläne und Träume sind, umso größer wird die Motivation sein, sich diese auch zu erfüllen.

Wenn Sie unzufrieden und unglücklich sind und feststellen, dass es nicht am Geld liegt, sollten Sie überlegen, ob Geld bei Ihnen den richtigen Stellenwert hat. Nicht Geldknappheit ist für Ihre Kinder schwierig, sondern der Umgang mit dieser. Viele Aktivitäten sind kostenlos, es lohnt sich, eine entsprechende Liste zu erstellen. Oft wird Geldmangel zum Hauptthema und verdrängt andere wichtige Themen. Steht Ihre Familie hinter der Entscheidung, einen anderen Weg zu gehen, werden Sie alle Unannehmlichkeiten für eine gewisse Zeit gemeinsam tragen. Setzen Sie Prioritäten im Umgang miteinander, seien Sie füreinander da. Gelingt es Eltern, ihren Kindern zu zeigen, dass die Person das Wichtigste ist, dass man okay ist, so wie man ist, rückt das Thema Geld in den Hintergrund. Fehlen jedoch der familiäre Rückhalt und das Selbstbewusstsein, diese lebenswichtigen Punkte, fokussiert man sich nach außen, was wiederum zu Problemen führen dürfte. Eine Auszeit kann Ihnen helfen, den Sinn des Lebens neu zu entdecken.

Erkenntnisse

Nach dem Testergebnis hinterfragen viele ihr Leben und sind sich nicht sicher, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen sie sich angeeignet und antrainiert haben. Die Unsicherheit ist groß, da die entscheidende Frage unter Umständen noch nicht beantwortet werden konnte: Wer bin ich? Die Gefahr besteht, dass bei der Analyse auch Eigenschaften wegfallen, die untrennbar mit der Hochbegabung einhergehen.

Wie im Kapitel “Hirnforschung – größere Zusammenhänge verstehen” beschrieben, kann der Mensch nur eine begrenzte Menge Wissen aufnehmen, da sich sonst die Informationen quasi selber überschreiben. Die Verarbeitung der Informationen vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis dauert ihre Zeit. Ein hochbegabter Mensch nimmt in derselben Frist wesentlich mehr Informationen auf als ein normalbegabter. Das ist wichtig zu wissen, da sich viele Hochbegabte mit der Frage quälen, warum sie öfter kleine Pausen benötigen. Die anderen brauchen diese Pausen nicht, und deshalb versucht der Hochbegabte, sich auch hier anzupassen. Aber was passiert im Gehirn? Der Hochbegabte nimmt mehr Informationen auf und überschreibt diese, wenn er keine Pausen macht oder die Pausenabstände an seine Umgebung ausrichtet. Ein Hochbegabter sollte Pause einlegen, wenn er das Gefühl hat, dass sein Kopf eine Auszeit braucht. In der Zeit kann er sich mit anderen Dingen beschäftigen. Dabei sammelt er neue Impulse, nimmt andere Informationen auf und verarbeitet sie. Beispielsweise können in der Pause ohne Probleme Mails gelesen und beantwortet werden. Es hilft, sich hin und wieder zu sagen, dass man anders als die anderen ist. Es gibt 98 % Menschen, die nicht hochbegabt sind. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle Mitarbeiter in einem Raum dieselben Pausen benötigen und dieselbe Arbeitsgeschwindigkeit haben, eher gering. Die Andersartigkeit schlägt sich überall nieder und sollte nicht abtrainiert, sondern bewusst gelebt werden.

 


[i]           vgl. Roth, Katja, Reif für die Insel?, Improvin your performance, Newsletter, März 2004.

[ii]           vgl. Kerkeling, Hape, Ich bin dann mal weg, Piper, 5. Auflage, Juni 2009.

[iii]           vgl. Sher, Barbara, Wishcraft, Lebensträume und Berufsziele entdecken und verwirklichen, Edition Schwarzer 2006.

[iv]           Ziegler, Albert, Hochbegabung, Ernst Reichert Verlag, München, 2008, Seite 91.

[v]           Vgl. Ziegler, Albert, Hochbegabung, Ernst Reichert Verlag, München, 2008, Seite 91+92.

[vi]           vgl. Linder-Hoffmann, Bernd; Klein, Peter; Zink, Manfred, Vom Haben zum Sein, in: Kommunikation & Seminar, 1 / 2008, Seite 45.

[vii] vgl. Linder-Hoffmann, Bernd; Klein, Peter; Zink, Manfred, Vom Haben zum Sein, in: Kommunikation & Seminar, 1 / 2008, Seite 46.

[viii]           Linder-Hoffmann, Bernd; Klein, Peter; Zink, Manfred, Vom Haben zum Sein, in: Kommunikation & Seminar, 1 / 2008, Seite 46.

[ix]           vgl. Linder-Hoffmann, Bernd; Klein, Peter; Zink, Manfred, Vom Haben zum Sein, in: Kommunikation & Seminar, 1 / 2008, Seite 46.

[x]           vgl. Linder-Hoffmann, Bernd; Klein, Peter; Zink, Manfred, Vom Haben zum Sein, in: Kommunikation & Seminar, 1 / 2008, Seite 47.